Es ist spannend, welches Gefühl das sein wird, wenn sich Publikum und Chor vermischen“, sagt Petra Weiß. Sie und Melanie Maurer stehen mit ihren „Paulus“-Partituren neben der Garderobe des Gewandhauses und wissen noch nicht so genau, was sie sich von Mendelssohn Bartholdys „Paulus“ zum Mitsingen erwarten sollen. Am Freitagabend verwandelt sich der Große Saal zum Festkonzert in eine einzige Bühne. Das Orchester Leipziger Romantik spielt auf der Bühne, der Leipziger Universitätschor steht auf der Empore und wer sich sicher genug fühlt und bei drei vorhergehenden Proben war, kann sich unter die Studentinnen und Studenten mischen. [...]
Christian Wulff, ehemaliger Bundespräsident und seit 2018 Präsident des Deutschen Chorverbandes bedankt sich bei Leipzig für die Art und Weise, wie die Stadt die Gastgeberrolle des Deutschen Chorfestes ausfüllt und gibt damit das Startsignal. Während sich das Orchester stimmt, huschen noch vereinzelte Parkettsänger einige Reihen weiter vor, um sich näher an die eigenen Stimmgruppen zu setzen. Es ist ein imposantes Bild, wie sich die Chorsängerinnen und -sänger über die gesamte Empore erstrecken. Immer wieder blitzt ein nicht-universitäres Outfit auf, verrät die Spontanmitwirkenden gegenüber dem Dresscode des Universitätschores. Dann blüht die Ouvertüre auf, im romantischen Herz der Musik.
David Timm fühlt und fordert am Pult, zwischen fluffigen Streichern, entschiedenen Holzbläsern, majestätischem Blech. Der richtige Gänsehautmoment entsteht jedoch in dem Moment, in dem der Chor geschlossen aufsteht, die ersten Töne von „Herr, der du bist der Gott“, erklingen und da ist es: dieses vollkommene Umfangensein von Musik. Die Stimmen kommen von überall, Tenöre von rechts, Sopran von links und dann doch noch einmal ein Sopran von hinten rechts, ein Alt von hinten links. Immer wieder stechen einzelne Stimmen hervor, werden als Individuum hörbar, versinken wieder im Klang. Hier geht es nicht um Perfektion. Hier geht es um die Magie des gemeinsamen Eintauchens. Dass es ein durchgehend choraffines Publikum ist, merkt man an der intuitiv gefühlten, aber auch deutlich von Timm vorgegebenen Dynamik, an der Akzentuierung und der Phrasierung, die im Großen und Ganzen auf einer Linie verläuft. [...]
Der Universitätschor unter Timm ist ohnehin in guter Form und zieht so die „Neulinge“ kraftvoll mit, während bei Timm auch in der Rückansicht immer klar wird, was er von den Sängern will, so sehr dirigiert und fühlt er mit dem ganzen Körper. [...] Und egal ob Semi-Profi, ausgebildete Sängerin, Orchestermusiker oder Komplettlaie: An diesem Abend verbindet alle im Großen Saal diese intensive Liebe zum „Paulus“, einem unsterblichen Stück Musikgeschichte. Und UMD David Timm hat sie hör-,aber vor allem spürbar gemacht.