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Das Werk zählt zu den Ausnahmewerken der Musikgeschichte, zu jenen Stücken, die die handwerklich-stilistischen Grenzen ihrer Zeit und den Rahmen ihrer Gattung nicht nur ausreizen, sondern sprengen. Inzwischen gehört Johann Sebastian Bachs h-Moll-Messe zwar zu den meistgespielten Werken des Genres überhaupt. Doch man kann sie gar nicht oft genug hören. Auch in Leipzig dürfte man ansässiges wie zugereistes Publikum mit ein paar Aufführungen mehr pro Saison nicht unglücklich machen. Noch dazu in Bachs Thomaskirche.


Umso größer ist das Glück, wenn man dieses Werk in einer so faszinierenden plastischen Interpretation zu hören bekommt wie am Sonntagabend zur Eröffnung der Leipziger Universitätsmusiktage an diesem in vielerlei Hinsicht geheiligten Ort, und zwar durch den Leipziger Universitätschor und das Pauliner Barockensemble.


Universitätsmusikdirektor David Timm steht am Pult und erweist sich erneut als ein Klangplastiker, der genau weiß, was man aus Kontrapunkt alles machen kann. So entwickelt die Messe einzigartige Form und eine überzeugende Dramaturgie. Mit sensibler Dynamik geht Timm beim Tempo an die Grenzen des spieltechnisch Möglichen. Das ist fast immer großartig, nur beim "Laudamus te" bringt es die ansonsten überzeugenden historischen Aufführungspraktiker hörbar in Schwierigkeiten.


Jenseits dessen verwöhnt das ausgewogene Klangbild den Hörer. Timm formt den Raum und spielt geschickt mit den komplexen Strukturen, gestaltet Vorder- und Hintergrund, verfolgt Linien und zeigt, was dieses Werk zum Ausnahmewerk macht, jene Analogie zum anderen Ausnahmewerk, zur "Kunst der Fuge". Was ein Meisterwerk des Kontrapunktes ist, wird bei dieser Klarheit und Unmittelbarkeit selbst für den musikalischen Laien ganz unmittelbar nachvollziehbar. Timm zaubert Übergänge - so jenen vom "Crucifixus" zum "Et resurrexit". Hier beginnt musikalische Rhetorik tatsächlich zu reden.


Und der Uni-Chor klingt längst nicht mehr wie ein Laienchor: So homogen, beherrscht und rund im Klang wie diese jungen Stimmen berühren, wünscht man sich das Musikerlebnis. Hinzu kommt ein alles in allem souveränes Solistenquartett. Gesine Adler überragt mit schönem weichen Ton und klarer Linie. Martin Petzold präsentiert erwartungsgemäß überzeugenden Bachgesang. Wolf Matthias Friedrich gibt eine kraftvolle Basspartie. Carolin Masur fügt sich geschickt in Ensemble und Klangbild. Dass derlei Jubel auslöst, ist nicht weiter verwunderlich. Eine passendere Universitätsmusik kann eine Musikstadt nicht haben.