Von Beginn an war die Musik ein wichtiger Teil des universitären Lebens. Zum einen diente sie den Studenten als täglicher Zeitvertreib, zum anderen war die Musiktheorie aber auch Gegenstand von Vorlesungen. Eine wichtige Rolle bei der praktischen Musikausübung spielten die Gottesdienste und Feierlichkeiten in der Klosterkirche St. Pauli, die 1543 der Universität Leipzig übereignet und 1548 von Martin Luther zur Universitätskirche geweiht wurde.

Seit der Schenkung des bestehenden, säkularisierten Klosters an die Universität fanden in der dreischiffigen gotischen Kirche musikalisch begleitete akademische Gottesdienste, Feiern, Festakte und Promotionen sowie vierteljährlich „Spektakelmessen“ statt.

Die Orgeln

Die Kirche erhielt ihre erste Orgel bereits im Jahr 1528. Mit ihrem Rückpositiv war sie neuartig und konnte vielseitig eingesetzt werden.  Ein erweiternder Umbau wurde 100 Jahre später von der Universität in Auftrag gegeben.

Anlässlich der Einrichtung öffentlicher Gottesdienste in St. Pauli erfuhr der Innenraum der Kirche von 1710 bis 1712 umfangreiche Veränderungen im barocken Stil. 1716 baute Johann Scheibe ein zweites Orgelwerk, das von Johann Sebastian Bach geprüft wurde und seine Zustimmung fand. In zeitgenössischen Berichten ist zu lesen, er habe sie „nicht gnugsam rühmen und loben können, sonderlich deren Raren Register“.

Johann Sebastian Bach und die Universitätsmusik

Nach seinem Amtsantritt als Thomaskantor war Bach für die Leitung des an hohen Festtagen üblichen „alten“ Gottesdienstes mit Motettengesang zuständig, während der „neue“ Gottesdienst von dem künstlerisch eher unbedeutenden Universitätsmusikdirektor Johann Gottlieb Görner geleitet wurde.

Den Höhepunkt einer Musiktradition zu akademischen Festakten, Huldigungen und Trauerfeiern der Universität des 17. und 18. Jahrhunderts bilden Kompositionen von Johann Sebastian Bach, die dieser während seiner Amtszeit als Thomaskantor im Auftrag der Universität selbst oder im Auftrag von Universitätsangehörigen fertigte. Zum Teil waren diese Werke auch Huldigungskantaten für das sächsisch-polnische Herrscherhaus.

Von den Festmusiken zu Leipziger Universitätsfeiern sind insgesamt zwölf Werke vollständig erhalten.

Chronik

  • 1543
    Die Paulinerkirche geht in den Besitz der Universität über und wird damit zur Universitätskirche. Bei den dort stattfindenden akademischen Festakten ist sorgt meist der Thomaskantor für die Musik.
  • 1710
    Einrichtung eines öffentlichen, mit anspruchsvoller Figuralmusik ausgestatteten, „neuen” Gottesdienstes in der Universitätskirche St. Pauli.
  • 1723 – 1750
    Musikalische Betreuung des an einigen hohen kirchlichen Festtagen und bei Universitäts-Redeakten weiterhin üblichen „alten” Gottesdienstes in der Universitätskirche durch den Thomaskantor Johann Sebastian Bach. Dabei werden, wie seit Jahrhunderten üblich, schlichte Motetten gesungen. Den musikalisch gewichtigeren „neuen” Gottesdienst überlässt die Universität dem künstlerisch weit weniger bedeutenden Universitätsmusikdirektor Johann Gottlieb Görner.
  • 1727
    Aufführung der Trauerode BWV 198 von Bach nach einem Gottsched-Text im Auftrag des Studenten Carl von Kirchbach zum Gedächtnis der verstorbenen sächsischen Kurfürstin Christiane Eberhardine in der Universitätskirche (Höhepunkt einer im 17. und 18. Jahrhundert reichen Musiktradition zu akademischen Festakten, Promotionen, Quartalsorationen, Huldigungen und Trauerfeiern).
  • 1729: Anlässlich des Gedächtnisgottesdienstes für den verstorbenen Thomasschulrektor und Professor poeseos der Universität, Johann Heinrich Ernesti (1652 - 1729) erklingt erstmalig Bachs Motette „Der Geist hilft unsrer Schwachheit auf (BWV 226).
  • ab 1812
    In der Universitätskirche werden Oratorien (darunter bedeutende zeitgenössische Werke) durch die 1802 gegründete Leipziger Singakademie, deren Dirigenten 1818 bis 1847 zugleich Universitätsmusikdirektoren sind, aufgeführt. Nach 1850 kommen Riedelverein und Bachverein hinzu.
  • 1822
    Gründung des Sängervereins an der Kirche zu St. Pauli, der sich ab 1824 Universitätssängerverein zu St. Pauli und ab 1919 Universitäts-Sängerschaft zu St. Pauli nennt. Seine Leiter sind von 1860 bis 1936 gleichzeitig Universitätsmusikdirektoren. Um die Jahrhundertmitte (1849) tritt der Akademische Gesangverein Arion hinzu. Die beiden studentischen Männerchöre entwickeln sich bis zum Ersten Weltkrieg zu den mitgliederstärksten Leipziger Studentenverbindungen und singen in zahlreichen Konzerten allein oder mit gemischten Chören u. a. im Gewandhaus und in der Universitätskirche.
  • 1968
    Sprengung der unversehrten Universitätskirche, der Heimstatt des Universitätschores.
  • 2009
    Jubiläumsjahr zum 600-jährigen Bestehen der Universität Leipzig mit monatlichen Konzerten der Universitätsmusik. Veröffentlichung der durch den Universitätschor eingespielten Gesamtaufnahme Festmusiken zu Leipziger Universitätsfeiern mit allen 12 erhaltenen Bach-Kantaten für die Universität. Uraufführung des Auftragswerks Memoriam – Tempo e tempi des Leipziger Komponisten Bernd Franke zum Festakt am 2.12.2009 im Paulinum – Aula und Universitätskirche St. Pauli.
  • 2017
    Feierliche Eröffnung des Paulinum – Aula und Universitätskirche St. Pauli.

 

Das könnte Sie auch interessieren

Paulinum-Entdecker

mehr erfahren

Die Epitaphien im Paulinum

mehr erfahren

Stiftung Universitätskirche St. Pauli zu Leipzig

mehr erfahren