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David Timm, sein Leipziger Universitätschor und das Mendelssohnorchester kombinieren in der Thomaskirche Puccinis Requiem-Miniatur mit Verdis monumentaler Totenmesse

Leipzig. Eigentlich gehört es sich nicht, zwei Totenmessen zu kombinieren. Aber beim Konzert des Leipziger Universitätschores am Samstagabend in der vollen Thomaskirche verhält es sich anders. Erstens ist Puccinis Requiem keine, sondern nur die Vertonung des Introitus und darum nach kaum sechs Minuten schon wieder vorbei. Zweitens bezieht es sich direkt auf das Hauptwerk des Abends, auf Verdis Messa da Requiem. Denn Puccini schrieb das Werk für dreistimmigen gemischten Chor, Orgel und Bratsche 1905 zum vierten Todestag seines Vorgängers auf dem Thron der italienischen Oper. Drittens bleibt durch diese Aufführung Puccinis 100. Todestag, der am Freitag ansteht, in Leipzig wenigstens nicht gänzlich unbeachtet.

Es ist ein verblüffend schlichtes und dabei seltsam bewegendes Werk, dieses seltsame Requiem. Seine Besetzung ist seltsam, seine Harmonik ist seltsam, die melodischen Fortschreitungen sind es auch. Und doch setzt es sich sofort fest in Ohr und Seele. Zumal der Universitätschor unter der Leitung des Universitätsmusikdirektors David Timm, begleitet von Maria Küstner an der Orgel und überwölbt von der silbrigen Bratschenlinie Polina Babinkovas, den genau richtigen Ton dafür trifft: Hell und jung klingt er, vorbildlich artikuliert er. Die Melodien nimmt er von der natürlichen Seite. Diese Trauerarbeit in Tönen kommt ohne Pathos aus und ohne Sentimentalität.

Größer könnte ein Kontrast nicht sein als der zwischen diesem trauerumflorten Wimpernschlag und Verdis Schlachtengemälde vom Sterben und vom jüngsten Gericht. Und doch nähert sich Timm beiden von der gleichen Seite. Offenkundig zählt er nicht zu denen, die die Messa da Requiem für Verdis beste Oper und dies für ein Kompliment halten. Er nimmt sie nicht als Drama, sondern als Epos, tritt nicht mitleidend hinein, sondern bleibt reflektierend einen Schritt entfernt – steht vielleicht sogar eine Stufe darüber. Das heißt natürlich nicht, dass es zahm zuginge, wenn Universitätschor und Mendelssohnorchester vom Tag des Zorns berichten, oder dass dem Flehen der Seele nach ewiger Ruhe die Intensität fehlte. Nein, es kracht gewaltig von der Westempore am Tag der letzten Posaune. Trotzdem kommt Timm ohne Theaterdonner aus, geht die Sache nicht szenisch an, sondern oratorisch, nimmt den Text wichtiger als die Emotion. Man könnte sagen: Er rückt diesem urkatholischen Kosmos mit dem protestantischen Analyse-Besteck zu Leibe.

Das Ergebnis ist bemerkenswert. Was sich vor allem dem Chor verdankt. Präzision und Klangschönheit des großen Ensembles sind beeindruckend, die Artikulation staunenswert. Tatsächlich ist jedes einzelne Wort zu verstehen, und nur selten schlägt diese Deutlichkeit in Buchstabieren um. Beweglich ist dieser Chor, dynamisch souverän unterwegs zwischen flehendem Raunen und verzweifeltem Schrei. Ungeheuer flexibel reagiert er auf alles, was Timm zeigt – und hat auch im dichtesten Blech-Gewitter keine Probleme, sich gegenüber dem Riesenorchester zu behaupten. […] Angemessener Jubel nach angemessener Stille.