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Darf man in einer Kirche applaudieren? Diese Frage muss am Ewigkeitssonntag in der Thomaskirche eigentlich gar nicht gestellt werden. Denn es ist ein ganz besonderes Konzert, "einer der musikalischen Höhepunkte im Jubiläumsjahr zum 600-jährigen Bestehen der Leipziger Universität", wie Rektor Franz Häuser in seiner Ansprache betont. In dem der Coro de la Universidad de Sevilla die beiden vorangegangenen Besuche des Leipziger Universitätschores in Spanien erwidert und nun mit diesem gemeinsam auf den Chorpodesten der Orgelempore steht. Und schließlich hat Giuseppe Verdi seine Messa da Requiem nicht für den liturgischen Gebrauch, sondern für konzertante Aufführungen komponiert.


Verdis Requiem ist schon etwas Besonderes unter den Totenmessen. Gern wird er zitiert, der ironische Spruch von "Verdis bester Oper", trifft hier doch seine klanggewaltige Tonsprache auf lateinischen Messtext. Am Sonntag geht Universitätsdirektor David Timm mit den Universitäts-Chören aus Leipzig und Sevilla, dem Mendelssohn-Orchester Leipzig und Vokalsolisten mit dieser opulenten Partitur-Vorlage zum akustisch-sensuellen Frontalangriff auf das Publikum in der voll besetzten Thomaskirche über.


In den folgenden eineinhalb Stunden stimmt alles. Weil der vereinte Unichor über hinreichend Stimmgewalt verfügt, um im "Dies irae" die Ankündigung vom Tag des Zorns in die Brustkörbe der Zuhörer zu hämmern, nachdem er im Introitus leise seufzend nach der Bitte um die ewige Ruhe getastet hat, der junge Chorklang später mit der Unschuld eines Kinderchores betet, schlanke A-Cappella-Linien zieht, um gleich darauf schwelgend auszubrechen. Weil das Mendelssohn-Orchester so herrlich mitzieht mit fragendem Fagott, wiegenden Celli, zwitschernder Flöte, zarten Blechbläserfanfaren, flirrenden, schraffierenden Streichern und mit pompöser Herrlichkeit.


Weil Svetlana Katchours Sopran so innig zart wie schmelzend sein kann. Und Astrid von Feders Alt die Mezzosopranpartie mit sinnlichem Timbre so anrührend ausfüllt, Vincent Schirrmachers Tenor weich glänzt und Tuomas Pursios profunder Bass begehrlich fleht und verkündet. Minutenlange, andächtige Stille nach dem letzten Ton. Ehrfürchtiger, dankbarer Beifall danach. Weil die Botschaft sich so unmittelbar mitgeteilt hat, dass das Publikum erst zum Jetzt und Hier zurückfinden muss. Der Eindruck klingt nach, beim Nachhausegehen, am Morgen danach, noch jetzt.