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Wann immer die ersten drei Kantaten von Bachs Weihnachtsoratorium aufgeführt werden, haben sie das Zeug, der Ruhepunkt, wenn nicht das Herzstück zu werden: die Sinfonia, das instrumentale Einleitungsstück der zweiten Kantate. Eine Pastorale, die in idyllischen Farben auf eine Kantate vorbereitet, in der zuerst die Begegnung der Hirten mit den Engeln im Mittelpunkt steht. Nicht ohne Grund greift Bach diese Musik, die Erde und Himmel verbindet, im Schlusschoral wieder auf.


Am Dienstagabend, im Konzert des Leipziger Universitätschores, gelingt die Sinfonia als solcher besonderer Moment. Und steht dabei auch exemplarisch für eine Musizierhaltung, die David Timm mit dem Pauliner Barockensemble pflegt. Timm belebt den Klang, bringt ihn zum Sprechen, fordert mit flexiblem Schlag hier Agilität im Detail, dort Denken in großen Zusammenhängen. Das Orchester liefert dazu herrlich erdige Farben und rhythmische Verve. Dass man an historische Instrumente nicht dieselben Ansprüche an Perfektion stellen darf wie an moderne, ist klar. Das ist der Preis für ein Klangbild, das womöglich authentischer, vor allem aber - und das ist das Entscheidende - wunderschön ist.


Gestalterisch verfahren Timm und die Musiker nach dem Motto: Weniger ist mehr, und das ist bei Bach sicher nicht verkehrt. Frei von jedem Manierismus beseelt Musik zu machen, so heißt das Ziel. Dabei spielt auch das Solistenensemble fabelhaft mit. Achim Kleinlein legt die Evangelistenpartien subtil und innig an und gestaltet auch die Arie "Frohe Hirten, eilt, ach eilet" mehr von innen heraus, nicht als Virtuosenstück. Susanne Krumbiegel musiziert die herrlichen Alt-Arien mit viel Einfühlung aus. Anastasiya Peretyahina und Wieland Lemke runden mit dem Duett "Herr, dein Mitleid" sowie den Rezitativen den positiven Eindruck ab. Intensiv kammermusikalisch spielen in den Arien auch die Instrumentalsolisten - Momente wunderbaren Dialogs.


Und dann wäre da noch der Leipziger Universitätschor, der bei den hiesigen Laienchören in der allerersten Reihe mitsingt. Trotz seiner Größe reagiert das Ensemble ungemein flexibel und bleibt stets durchsichtig. Damit fügt es sich perfekt in Timms Interpretationsansatz ein, der auf Musizieren der Struktur setzt. Ein Ansatz, der in der Akustik der Peterskirche durchaus ein Wagnis darstellt. Lediglich die manchmal etwas scharfen Konsonanten irritieren ein wenig. Wunderbar schlicht und doch intensiv singt der Chor die Choräle, kraftvoll die festlichen Chöre. Ein höchst musikantisches "WO" also, Routine im allerbesten Sinne des Wortes. Jetzt kann es Weihnachten werden.