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Was geht im Kopf eines Musikers vor, der den Jazz ebenso liebt wie die Kirchenmusik? Die beiden unterschiedlichen Klangwelten vermischen sich in der Phantasie in immer neuer Weise. Da kann ein bachsches Fugenthema schon einmal Grundlage für Improvisation oder die Form der Fuge auf samtige neotonale Harmonien gebettet werden.


David Timm ist so ein Musiker. Er belässt es aber nicht bei Tagträumen, sondern schreibt die Melange kurzerhand auf und teilt sie mit dem Publikum. So am Wochenende im Rahmen eines Konzerts mit dem Landesjugendorchester Sachsen und dem Leipziger Universitätschor, ergänzt um eine Combo vokaler und instrumentaler Jazzer. Auf dem Programm: fast ausschließlich Werke von Timm.


Vor der Pause führen Bach-Bearbeitungen des Universitätsmusikdirektors in diesen so charakteristischen Sound ein. Timms Phantasie entzündet sich meist an einzelnen Motiven und Themen, die die Basis für weitgehend eigenständig verlaufende Musik werden. Das ist ein ganz anderer Modus der Bach-Bearbeitung als der eines Jacques Loussier, der meist den Werkablauf unangetastet lässt und lediglich in Instrumentation und Rhythmik eingreift. Bestes Beispiel ist Timms Kommentar zur Motette "Komm, Jesu, komm", der aus nur wenigen Bach-Tönen sphärische Farben destilliert.


Da ist es keine Doppelung, auch das Original mit aufs Programm zu stellen, zumal der Universitätschor die Motette berückend schön singt. In diesem einzigen a-cappella-Stück seziert er die Polyphonie und liefert über weite Strecken eine Qualität, die auch einem Profichor nicht schlecht zu Gesichte stünde. Ein Befund, der sich mühelos auf das Landesjugendorchester übertragen lässt, das durch präzise Rhythmik und außerordentliche Verlässlichkeit (Blech!) besticht. Die Gesangssolisten Tanja Pannier und Matthias Knoche steuern sensibel Scats und Vokalisen bei. Schön auch die Instrumentalsoli von Reiko Brockelt (Saxophon) & Co.


Als Finale liefert das hervorragende Ensemble die Uraufführung der "Jazzmesse". Auch diese ist geprägt von Timms originell eklektischer Ästhetik. Effektbewusst verknüpft sie Musik vom gregorianischen Choral über die Fuge bis hin zum Samba - unter weitgehender Aussparung der E-Musik unserer Zeit. Mit großem Pinsel gemalt ist der Orchestersatz, vielgestaltig klingen die Chorpartien, und auch für Soli der Jazzer ist Raum. Das Erstaunliche: Es zerfällt an keiner Stelle in seine Einzelteile. Ja, ist es nicht sogar beste Tradition der Gattung Messe, verschiedene Techniken und Stile in den einzelnen Sätzen anzuwenden? Fakt ist, dass das neue Stück gehörig zu überraschen weiß. Eindeutig ist die Publikumsreaktion: Spaß macht es auch.