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[...] Was legt Timm nun in diese anderthalb Stunden Musik? Im Grundsatz folgt er natürlich dem von Dvorák vorgegebenen "Per aspera ad astra"-Prinzip, will heißen: Die Klage Mariens um ihren am Kreuz hängenden Sohn wandelt sich schrittweise in eine Art Heilsgewißheit [...]. Timm, ausladend, aber ruhig dirigierend, nimmt den ersten Satz also in recht schleppendem Tempo, legt allerdings eine recht ausgeprägte Volumendynamik hinein (soll heißen: die kurzen Powerschübe haben nicht nur Alibifunktion), erzeugt bisweilen immense Spannung (meisterlich: der Part vor dem ersten Choreinsatz) und zeichnet sich auch durch gelungenes Tempomanagement aus (wiederum meisterlich: die aus dem Handgelenk geschüttelte Tempoattacke vor der "Stabat"-Wiederholung).

Und selbst wenn man wie in der Mitte des zweiten Satzes mal kurz das Gefühl hat, ins Miteinander zwischen Chor und Orchester käme ein Tick Unordnung, hat der Dirigent die Lage schnell wieder im Griff. Donnernd läßt er den Chor im dritten Satz das Wort "fac" singen, das immer dann kommt, wenn die Musik ein wenig zu sehr im spätromantischen Sumpf zu versinken droht. Die "Sancta mater"-Passage im vierten Satz wiederum stellt unter Beweis, daß der weibliche Teil des Chores die Tugend des ätherisch-schwerelosen Singens, die man schon 2009 in Mendelssohns "Paulus" bemerkt und geliebt hatte, nach wie vor meisterlich beherrscht. Temposeitig etwas nach oben geht erst der fünfte Satz, wie die beiden nachfolgenden in der Zweitfassung des Werkes hinzugefügt. Geradezu aberwitzig mutet die Dynamik vor "Poenas" an, die Wiederholung des Textes hält gar groovige Rhythmen bereit, und auch die zahlreich geforderten Tempo- und Stimmungswechsel der Folgesätze stellen Dirigent und Musiker vor keine prinzipiellen Probleme. [...] Timm schafft es, die Spannung nach dem Schluss extrem lange stehenzulassen, bevor das Publikum in der vollbesetzten Kirche in langanhaltenden Applaus ausbricht. [...] So rundet sich das Bild zu einer insgesamt starken Aufführung eines eher selten auf den Spielplänen zu findenden Werkes.